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Beim Alb-Jogi

ein Bericht von Sophie Leistner, Motorrad News 02/2020

Kneip-o-rant“ – die Wortkreation steht für ein Lokal mit dem Charme einer Biker-Kneipe und dem Angebot eines Restaurants. Im Sommer kommen die Motorradfahrer am Wochenende aus nah und fern. Die Maschinen stapeln sich auf dem Parkplatz und entlang der Hauptstraße, die Besucher verteilen sich auf Kneipe, Biergarten, Grillplatz und Terrasse. 

Es ist das bunte Treiben eines typischen Moppedtreffs: Sehen und gesehen werden, kommen, essen, quatschen, weiter fahren. Als ich das Ställe im Winter besuche, ist vom Trubel nichts zu spüren, Heimeligkeit liegt in der Luft. Als Motorradfahrer fühlt man sich sofort zuhause: Kerzen an einem Konstrukt aus alten Getriebeteilen tauchen den Schankraum in weiches Licht, auf den Tischen stehen Speisekartenhalter aus alten BMW-Zylinderköpfen, der Gerstensaft fließt durch eine Zapfanlage im GSX 750-Vierzylinder. An einer Wand scheint eine GS 750 in den Raum zu springen – die Reste einer alten Maschine von Chef Jürgen „Jogi“ Thiel.

Jürgen Thiel ist Motorrad-Mensch durch und durch – und einer der Pioniere der Szene-Gastronomie. Vor 38 Jahren eröffnete er das Kneip-o-rant „Ställe“, eine Institution der süddeutschen Motorradszene.

Fotos an den Wänden laden ein, durch die verwinkelten Räume zu schlendern. Jedes erzählt eine Geschichte. Jogi auf der Rennstrecke, Jogi im Gelände, Jogi in der Wüste, Jogi im Krankenhaus. „Das war nach einem Vierstunden-Rennen von Moto Aktiv, irgendwann in den Achtzigern“, erzählt der Chef des Hauses drauflos. „In der schnellen Rechts bin ich einfach gestürzt. Schulter kaputt, fast ein Jahr im Krankenhaus“, sagt er und lässt die rechte Schulter kreisen. Den Arm kann Jogi bis heute nicht richtig bewegen. Was den 63-Jährigen nicht daran hindert, sieben Tage die Woche als „Mädchen für alles“ im Einsatz zu sein: Er schwingt Hammer, Kochlöffel und Trockentuch gleichermaßen gekonnt, und das seit 38 Jahren.

Allerhand: Jogi ist seit 38 Jahren 365 Tage im Einsatz

Jogis Karriere als Motorradwirt begann in den Siebzigern, nachdem der damals 25-Jährige seine Lehre als Kfz-Mechaniker abgeschlossen hatte. „Ich fahre Motorrad, seit ich 16 bin, und gehörte zu einer eingeschworenen Clique. Als wir das Ställe eröffneten, kam nur eine Motorradkneipe infrage.“ Für damalige Zeiten eine Sensation, denn Motorradfahrer galten noch als ungehobeltes Pack. Trotzdem gab es nie Stress mit Gästen, Anwohnern oder Behörden. „Ganz früher diente die Wirtschaft am Rand der Schwäbischen Alb als Postwechselstation. Hier war ein wirtschaftlicher Knotenpunkt.“ Die Briefboten tauschten ihre ermatteten Zugtiere für den Albaufstieg gegen frische Pferde oder Ochsen. Als die Bahn den Job der Kutschen übernahm, flog mit den letzten Pferdeäpfeln auch das Beamtentum aus dem Haus und mit einem Bahnhofsrestaurant zog gesellige Fröhlichkeit ein. Weil der Schwabe als solcher „zu faul zum Sprechen ist, wurde so aus „Reschdauradion“ des Schdälle“, schwäbelt Jürgen.